Petra Mettke und Karin Mettke-Schröder
Michael. Ein Traum-Schicksal in Tagebuchblättern.
™Gigabuch Michael Band 9
Woss-Legende 5
Anno 2055
Books on Demand GmbH, Norderstedt, 2009
ISBN 978-3-932289-13-2
496 Seiten
Die Nacht zum 15. April 1995
Einschlaftraum
Wir sitzen immer noch am Frühstücktisch auf der Terrasse und während ich meinerseits gütlich zuschlage, scheint Michael das Essen nicht zu schmecken.
»Was ist?« frage ich und weiß doch ziemlich genau, was los ist.
Er blickt leer. Ich stehe auf, setze mich auf seine Armlehne und fange ihn automatisch zu trösten an.
»Du darfst jetzt nicht in ein Loch fallen, sondern du musst dir bewusst machen, dass das eine neue Arbeitsweise ist. Alle arbeiten inzwischen so.«
Er ist nicht zu trösten.
»Ich weiß, ich bin so leer. Alles ist fort.« -
»Dir fehlt nur dein Glückshormonschub. Den hast du nun auf diese Weise nicht mehr. Erst wenn du alles aufgearbeitet hast, spürst du deine Genialität wieder. Entdecke deine Unbewusstheit, entdecke dich bewusst.«
Er ist kein Verstandstypus. Er fühlt sich um seine Arbeit beraubt. Es ist zwecklos. Ich streichle ihn über die Wange.
»Alle deine Kinder arbeiten so. Sie sind äußerst erfolgreich damit. Du musst ja diese Methode nicht übernehmen, ach, komm, sei fair mit deiner Seele, du wirst schon sehen, du warst gut, ich glaube an dich.« -
»Ich habe keine Beziehung zu den Partituren.« -
»Jetzt verstehst du erfahrungstechnisch, wie es mir immer geht. Du hast mir immer dabei geholfen, das Loch mit Wohlwollen zu füllen. Ich weiß nicht, wie und ob du gut warst, aber ich denke, diese Arbeitsweise wäre abgebrochen worden, wenn sie nicht effizient gewesen wäre.«
Es hilft nichts. Nichts kann die Leere ausfüllen, die zwischen dem "Gebären" und dem "Wissen ums Objekt" klafft. Er vertraut nicht abstrakt wie ich.
Woss reß erscheint. Wir erschrecken. Ich setze mich wieder an den Tisch. Sie streicht Michael mit etwas über den Handrücken, während sie sagt:
»Ihre Messdaten sind ernsthaft ungünstig. Sie sollten sich nicht in eine Depression fallen lassen. Ich gebe Ihnen einen Entlastungsstoff, damit Sie sich Ihrem Werke in aller Ruhe widmen können. Ich sage Ihnen, uns hat es sehr gefallen, eine wirklich gelungene Arbeit.«
Auch Ihre Worte genügen nicht, aber das Medikament. Unser Frühstück ist beendet. Woss reß verabschiedet sich freundlich. Weckett hilft uns eine Arbeitsanordnung aufzubauen. Michael muss sich an den Computer setzen, bekommt seine Klangvorstellung über Kopfhörer eingespielt und soll am Gerät die Instrumentierung setzen. Es ist nur ein Halluzinationsimpulsprogramm und noch keine akustisch übertragene Musik. Während er dies nun Zeile für Zeile tut, liegt mein Text neben ihm und ich helfe ihm diesen auf sein Handzeichen einzuscannen. Eigentlich könnte er das allein. Ich vermute, dass der Text vielleicht noch einmal bearbeitet werden muss, um ungünstige Wortfolgen zu musikalischen Gebilden zu machen. Von meinem Anteil bin ich positiv erfreut.
Die Nacht zum 18. April 1995
Einschlaftraum
Cecile und ich unterhalten uns im Pavillon bei Mokka und Schokolade. Cecile hat ihren Arm um mich gelegt, wie eine Glucke ihr Küken schützend. Unsere Größenverhältnisse geben ihrem Verhalten Recht. Mir ist es recht, denn umsorgt werde ich gern.
»Ach, Mom, sei nicht so zerknirscht, du kennst doch das Mannsvolk.« -
»Es regt mich auf ihr Gehabe. Weißt du, immer die Kuschkusch-Methode mit der sie ihre Erträge erzielen.«
Ich brauche keine andere Anspielung machen, weil mich Cecile verstanden hat.
Grundsätzlich muss ich dazu ausführen, ich meine die Instrumentarisierung von Zärtlichkeit. Vielleicht gäbe es sonst keine Gefühlsäußerung mehr, wenn sie zwecklos wäre. Als Selbstzweck zumindest existiert sie nur in den Köpfen der Frauen. Männer benutzen sie ungeniert als Einwirkmöglichkeit auf Frauen immer dort, wo es etwas abzugreifen gibt. Leider lernt das auch der naivste Mann irgendwann und im Verlaufe des Lebens setzt sie jeder ausschließlich instrumentell ein, womit der klassische Hohlraum der Liebe geboren ist. Eine männliche Geburt!
© PM