Groteskenband 1


2010


Karin Mettke-Schröder/Wirbelwinde/Groteskenband 1/2010

166.

Wirbelwinde

Grotesken wahren Ursprungs von 2006-2010

Groteskenband 1 von Karin Mettke-Schröder

™Gigabuch-Bibliothek

Stadium: 1/Druckskript

142 Seiten

2010

 


Belegexemplar PDF-eBook


Karin Mettke-Schröder/Wirbelwinde/Groteskenband 1/2010

 

Karin Mettke-Schröder

Wirbelwinde

Grotesken wahren Ursprungs

von 2006-2010

142 Seiten


Weil uns beim Zeitungslesen die vielen haarsträubenden Meldungen auffielen, deren Geschichten in gewisser Weise übersteigert waren, um Interesse zu wecken, reizten sie uns, sie gänzlich über eine Nachricht hinweg zu verändern. Das Genre der Groteske war nicht das eigentliche Ziel dieser Bücher, sondern diesen Geschichten ein anderes Gesicht zu geben. © KMS


Inhaltsverzeichnis


Der entbehrlich Kritikerstand

Ort der Engel

Projektilsucht

König der Lüfte

Das Narrenschiff

Der Umsonstflug

Tiertransport

Die 120 km/h-Sturzgeburt

Öffentlicher Gummizellenlook

Neudeutsches Königtum

Der profitable Friedhofstermin

Der Privatsphärendiebstahl

Suizidstraßen

Schuldverwaltung

Petri Un-Heil

Der Literaturfriedhof

Moderne Familienunternehmen

Der Europastaat

Zweihundertdreißigwasser Villa

Die Gemüsebombe

Der Sicherheitslärm

Die Schneckenspur der Wahrheit

Genetische Überlebenskunst

Bankrotterklärung

Schwimmweltmeister

Fabelwesenzoo

Fahren ohne Führerschein

Höhere Gewalten

Meister Plumps

Geisterstunde im Wahlbüro

Gezähmte Gefährdung

Abgetrieben

Pietät im Sarg

Der textile Supergau

Quasselolympiade

Das Parolentrainingslager

Fledermaus

Tote wird Mutter

Krankletterei

Schönes Mathe

Crash im Orbit

Glücklicher Schlaganfall

Teuerste Kloschüssel

Bullauge offen

Mistgabelritter

Schlechtschreibreform

Toilette angewachsen

Kammerjäger

Liebeskummerpraxis


Bildnachweis



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Grotesken wahren Ursprungs 2006-2010
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Ort der Engel

 

Es war einmal eine Großstadt, die sich nach den heiligen Himmelsboten benannt hatte. Ihr Markenzeichen war eine Glamourfabrik. Über alle Maßen in der Welt bekannt und berüchtigt wurde sie wegen des luxseriösen Exhibitionismus auf roten Teppichen. In dieser Engelsmetropole walteten tatsächlich Engel, allerdings waren sie ganz und gar nicht auf göttlicher Mission.

Einer dieser urbanen Engel war am Tage vor Ort, als der dreijährige Kevin wieder einmal einen schweren Asthmaanfall hatte. Seine Mutter fuhr umgehend zur Notaufnahme ins Krankenhaus. Dort musste sie sich mit dem um Luft ringenden Buben in die Warteschlange der akuten Notfälle einreihen und im Wartezimmer ausharren, bis sie dran waren. Kevin wusste noch nicht, wer sein Vater war und jener Engel sorgte dafür, dass er es nie erfahren würde.

Obwohl seine Mutter seinerzeit von ihrer Clique vor dem Testosteronjunkie gewarnt worden war, fiel sie auf seinen billigen Brunfttrick herein und wurde schwanger mit Kevin. Doch dieser Umstand ging den Samenspender gar nichts an. Er fuhr munter weiter teure Autos, die er aufknackte, und wenn er erwischt wurde, hatte er einen Vollverpflegungsurlaub im Strafvollzug. Kevins Mutter litt unter dem Missgeschick ihrer planlosen Familiengründung. Dennoch sie liebte Kevin, obwohl sie inzwischen einsehen wusste, dass er nicht gesund zu machen war.

Wie gesagt, an einem dieser Tage, wo die charakterdefizitären Engel der Engelsstadt ihren fragwürdigen Job ausübten, röchelte Kevin erbärmlich in den Armen seiner besorgten Mutter. Sehnsüchtig hofften sie, endlich vom Arzt behandelt zu werden, als sein biologischer Erzeuger unweit davon an einer roten Ampel bremste. Da er wie so üblich eine Nobelkarosse in einem der eleganten Vororte der Engelheimstatt aufgebrochen hatte und die Fahrleistung des Straßenkreuzers testen wollte, verständigte er sich spontan mit dem Fahrer auf der Nebenspur an der Ampel zu einem Rennen quer durch die Innenstadt. Es wurde grün und los ging es.

Die scheinheiligen Himmelsgeschöpfe der Mutterstadt allen funkelnden Scheines wollten es so, dass die Route der illegalen Belustigung direkt an dem Krankenhaus vorbei gehen sollte, indem Kevins Atmung zu versagen drohte. Die bigotten Himmelshilfskräfte organisierten es nicht anders, als dass der notorische Gefängnisinsasse an der Biegung zur Krankenhausauffahrt die Kontrolle über die Luxuslimousine verlor und mit Vollgas in das Wartezimmer der Notaufnahme raste.

Kevin brauchte nun keinen Arzt mehr. Er befand sich zwar immer noch im Wartezimmer der Notaufnahme, jedoch konnte sein Name von der Notfallliste gestrichen werden. Der seiner Mutter auch. Es waren sieben. Man musste die Liste überarbeiten, da sich die Notfälle verdreifacht hatten und die Dringlichkeitsgrade verschärften.

Seines Vaters Spaß war abrupt zu Ende. Er hatte einen immensen Vorteil, denn obwohl er einen Autounfall hatte, musste er nicht vom Unfallort geborgen werden. Er war ja bereits vor dem Operationssaal angekommen. Immerhin so leicht verletzt, dass er ihn nicht einmal benutzen musste.

Man sagt, in der Stadt der Engel sind solche Engelstaten normal. Sie beruhen auf dem Paradoxon von Sein und Schein, denn wo sich das Sein dem Schein zu beugen hat, muss man sich nicht wundern, wenn eben auch Engel bloß vorgetäuscht sind. An ihren Taten erkennt man die Dämonen doch. © 21.02.2206/KMS